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An die Steine, fertig, los!

1. B l o c k w o c h e

erste Experimente, Verliebtsein in Papier und ein Zine

Nach einem kurzen Auftakttreffen in der Woche zuvor finden wir zum ersten Mal richtig in der Pavillon Presse zusammen. Wir sind alle voller Elan und neugierig darauf, was die erste von drei Blockwochen vor uns bringen wird. In dieser Woche haben wir Raum zum experimentieren, machen uns mit den neuen Techniken vertraut und schaffen erste kleine Kunstwerke.

Dann los oder?

Halt Stopp! Warum sind wir denn nicht an der Uni?

Und was ist die Pavillon Presse?

In der Universität selbst gibt es aktuell keine funktionstüchtige Werkstatt für Lithographie. Es gibt eine Lithopresse und einen Raum, der noch als Lithographiewerkstatt ausgewiesen ist (in der M1 gleich neben der Radierwerkstatt) aber drucken können wir dort aus verschiedenen Gründen nicht. Deswegen ein rießengroßes Dankeschön an das druckgraphische Museum Pavillon Presse in Weimar, deren Lithopresse und Räumlichkeiten wir nutzen dürfen. Auch so mega schön, versteckt mitten in Weimar und hochinteressant für alle, die sich für Druckkunst und Geschichte interessieren!

Mehr Infos findet ihr auch auf der Website der Pavillon Presse. Oder schaut einfach in der Scherfgasse 5 vorbei. :)

Montag, den 19.05.25

Auftakt, Schleifen, Panschen

Das Gebäude der Pavillon Presse ist wunderschön alt, wenn man reinkommt kann man durch ein kleines Fenster in der Wand schon einen Blick auf den Raum mit den Druckerpressen erhaschen, die wie riesige schlafende Insekten den gesamten Raum zustellen. Es riecht nach Farbe und maschinell, staubig und alt. Der Geruch kitzelt jedes Mal ein wenig in der Nase, wenn ich eintrete. Ich habe einen Vorsprung vor den anderen Kursteilnehmenden, ich war schon letztes Semester hier und habe mit der Lithopresse gedruckt.

Wir treffen uns oben in einem kleinen Raum, in dem überall Lithosteine und jede Menge Material liegen. Es gibt ein kurzes Update, während wir an unserem Arbeitstisch sitzen, den wir uns teilen. Der Tisch ist nicht groß, aber es passt eine Menge drauf und es wird auch noch eine ganze Menge passieren.

Wir haben einen engen Zeitplan, drei Blockwochen im Semester, jeder Tag von 10-16 Uhr. Aber die sind schnell rum und böse zerstückelt, da wir alle parallel andere Kurse haben, die wir nicht verpassen dürfen. (Auch wenn man das vielleicht ganz gerne will...?:))



Deshalb geht es gleich raus zum Schleifen der Steine, und obwohl ich das schon einmal gemacht habe, ist es jeden Mal wieder aufregend. Lithosteine sind schwere Kalksteine und wer das schon einmal länger gemacht hat weiß, dass es Muskelkater am nächsten Tag geben kann, im Rücken, im Po und in den Oberschenkeln.

Der Stein rauscht beim Schleifen, ein gleichmäßiges, meditatives Geräusch dass sich so sehr in mein Gehirn eingebrannt hat dass es mich jeden Mal wieder unheimlich beruhigt, sobald das Wasser und das Schleifkorn auf dem Stein zu einer Paste verrieben werden.

Der Ton kann über das Lautsprecher-Symbol in der Navigationsleiste wieder deaktiviert werden.

Es riecht kalkig, nach Stein und Schlamm und Schlacke und wir sind uns einig, dass es uns ein bisschen daran erinnert, als Kinder auf dem Spielplatz zu panschen. Wir sind uns auch einig, dass wir haptisches Arbeiten schätzen, vor allem solche, die alle Sinne ansprechen: Den Geruchsinn durch das Erdig-Kalkige, das Gehör durch das Schleifgeräusch, dass sich subtil verändert je mehr der Stein an Glätte gewinnt und natürlich den Tastsinn immer wieder und wieder: Weil wir mit den Fingern über die Oberfläche des glatten Steines fahren, um zu testen, wie viel man noch schleifen muss…Das sind Dinge, die einem kein Buch beibringen kann, die man nicht in einer Vorlesung erfährt sondern die man selber ausprobiert haben muss!

Dienstag, 20.05.25

Die Beatles unter Wasser und erste Buchbindeexperimente

Heute komme ich ein wenig zu spät, ich musste davor noch nach Erfurt und mich in der Schule vorstellen, bei der ich im nächsten Semester das Praxissemester absolvieren werde. Dementsprechend bin ich abgelenkt, als wir uns daran machen, die Steine zu bezeichnen. Im Zug habe ich noch schnell einen Entwurf gemacht und bin froh darüber, dass wir heute nur die Probesteine bezeichnen und der Druck deshalb nicht so hoch ist. Wir bezeichnen zwei Steine, alle fünf gemeinsam: am Ende soll ein Zine herauskommen, inspiriert von „Octopus’s Garden“ von den Beatles. Ich bin schon ganz gespannt wie das wird und freue mich, dass wir alle Lust haben, mit den vorhandenen Materialien zu experimentieren.

Zeichnen auf Lithosteinen ist an sich ganz einfach: Materialen varriieren von Kreiden zu Tusche zu Stiften -wichtig ist, dass das Material Fett enthält. Ohne Fett, dass in den Stein einzieht, kein Druck. Alles, was gezeichnet wird, wird so gedruckt, nur spiegelverkehrt.

Nach der Mittagspause... Wir verbringen Ewigkeiten damit uns durch alte Magazine und anderes Papier zu wühlen, um ein kleines Heft zu binden, als Übung. Wir haben eine sehr gute Menge an sehr gutem Papier und ich bin froh darum, dass die beiden Studentinnen, die den Kurs leiten, sich so sehr um eine Förderung bemüht haben - sonst müsste ich mein Papier wie in anderen Kursen wahrscheinlich selbst zahlen. Und das kann ich mir selten wirklich leisten. Manchmal liegt die Entscheidung im Studium zwischen frischem Gemüse im Kühlschrank oder gutem Papier, vor allem wenn man noch auf das Bafög warten muss. (Kleiner Rant am Rande)

Umso glücklicher bin ich, dass wir hier soviel Auswahl haben, auch wenn sie dadurch etwas schwer fällt. Das eigentliche Binden geht schnell und das Erfolgserlebnis ist groß. Wir haben heute nur eine ganz simple Fadenrückstichbindung gemacht, aber selbst da muss man viel beachten. (Zum ersten Mal in sechs Semestern Studium hör ich was von einer Laufrichtung. Wieder was gelernt.)

Im Anschluss tauschen wir stolz unsere fertigen Hefte hin und her und bewundern die Arbeit der anderen. Ich glaube ich werde die nächsten drei Monate nichts anderes machen, außer kleine Heftchen aus Papierresten binden! Das ist so spaßig! :)

Mittwoch, 21.05.25

Buchdeckel und Frust

Heute wird für mich ein zerstückelter tag werden. Das nervt mich, vor allem weil wir heute den ganzen Tag buchbinden und ich damit keine Erfahrungen habe. Wir schneiden Papier für die koptische Bindung zu und ich bin die ganze Zeit sehr verwirrt von der Laufrichtung, aber damit bin ich nicht alleine. Emmy erklärt uns das aber ganz geduldig, bis wir es einigermaßen verstanden haben. Ich bin so in Gedanken und gestresst von meinem nächsten Termin, dass ich mich immer wieder vermesse. Mein Papier ist krumm und ungenau geschnitten, meine Buchdecke zu klein und ich werde sie noch einmal schneiden müssen - aber das erst morgen, weil nach der Pause muss ich zu einem anderem Kurs.

Donnerstag, 22.05.25

Drucktag!!!

Das Tief zieht sich weiter durch. Heute ist nicht nur für mich ein zerstückelter tag, einige von uns müssen weiter zu anderen Kursen, zu anderen Terminen. Dabei ist heute Drucktag! Ich setze mich mit Musik still hin und berichtige meine Fehler beim Papier-und-Buchdecke-Zuschneiden von gestern. Das hebt zumindest meine Laune etwas.

Unten an der Presse wird gedruckt, die anderen drucken zum ersten Mal Lithographie und ich weiß, dass das sehr aufregend sein kann. Der Moment, in dem man das erste Papier mit Druck vom Stein zieht - nach all der Arbeit, dem stundenlangen Schleifen, dem Bezeichnen, dem über Nacht einwirken lassen des Fettes, den verschiedenen Schritten die danach kommen – dieser Moment ist immer irgendwie magisch. Und mit Steinen drucken? Wie absurd? Der Typ, der sich das ausgedacht hat, erscheint mir wie ein Genie in diesem Moment. Ich muss früher los, zu meinem Projektkurs, aber als ich im Vorbeigehen noch einmal in den Raum mit den Druckerpressen spitze, hängen hübsch aufgereiht fertige Drucke im Trockengestell.





Freitag, 23.05.25

Drucken, drucken, drucken (und fertig binden)

Letzter Tag der ersten Blockwoche und wir sind uns alle einig: Die Luft ist raus in dieser Woche. Wir haben alle Bock, aber die Energiereserven sind nach einer Blockwoche zusätzlich zu den regulären Kursen erstmal aufgebraucht. Trotz Mai ist es kalt (Nicht so kalt wie beim letzten Kurs, da haben wir bei Minusgraden mit eisigem Wasser draußen Steine geschliffen...). Vor allem unten bei der Druckerpresse ist es sehr kühl und weil wir an so unterschiedlichen Zeiten fehlen, hängen ein paar von uns (Auch ich) hinterher bei den Vorbereitungen für die koptische Bindung. (Buchdecke mit Gewebe eindecken, Papier schneiden...) Die Planung war gut, aber die Durchführung hat alles wieder ein bisschen chaotisch gemacht. Jetzt müssen wir uns gut organisieren und abstimmen.

Erst einmal müssen wir den zweiten Stein drucken, und da bin ich jetzt endlich auch mal selbst an der Druckerpresse. Wir sind alle ein wenig gestresst und das merkt man daran, dass wir kleine Fehler machen, als wir den Stein vorbereiten; es wird ein bisschen chaotisch, aber sobald der erste Druck zum Trocknen hängt, läuft alles wie am Schnürchen und ich fühl mich mega wohl.

Immer, wenn ich an der Kurbel drehe, die den Stein unter dem Rakel durchschiebt, frage ich mich, wie viele Hände vor meinen diese Bewegung gemacht haben. Wie oft wurde der Hebel der Lithopresse schon heruntergedrückt? Die Presse stammt aus dem 19. Jahrhundert. Sie ist älter als alle Menschen, die ich kenne und älter als ein paar, die meine Uroma als kind kannte. Es ist ein Stück Geschichte, dass hier staubig weiterlebt. Unser erster Kurs mit Litho hieß Litho lebt - Litho lebt durch eine lebendige Druckkultur. Durch die Wertschätzung von Handarbeit. Durch Gemeinschaft und durch Engagement. Ich finde den Gedanken schön, dass in hundert Jahren auch noch Leute an derselben Presse drucken könnten.

Zur Pause hin kommen wir trotzdem in Zeitnot, und Leo und ich drucken durch die Pause hindurch. Schnell zum Bäcker rennen, essen, wieder zurück.



Am Nachmittag machen wir uns dann an die koptische Bindung: Die klassische Fadenheftung, bei der man ineinandergesteckte Lagen mit einem Faden fest aneinandernäht. Erst lochen wir vorsichtig mit Schablone alle Lagen sowie die Buchdecke mit einer Ahle vor. Da muss jeder Schritt sitzen, sonst wird alles krumm und schief - aber mir wird langsam klar, dass das bei den meisten Buchbindetechniken so ist. Präzise Arbeiten ist nicht meine Stärke! Umso mehr freut es mich, dass ich trotzdem unheimlichen Spaß habe, denn Fehler sind okay.

Dann geht es an die eigentliche Bindung: Emmy zeigt uns wie wir Lage um Lage miteinander verbinden, sodass am Ende ein fertiges Buch entsteht. Das muss man üben, üben, üben, damit das irgendwann richtig sitzt und das ganze Buch nicht wackelt! (Bei mir wackelt es ziemlich).

Wie am Ende jeden Tages fassen wir alle gelernten Schritte auf einem großen Bogen zusammen - und dann ist die erste Blockwoche auch schon vorbei. Jetzt ist erstmal eine Woche Pause und dann kann ich mich an meinen eigenes Projekt machen! :)

Diese Woche haben wir schon eine ganze Menge geschafft: Zwei Steine gedruckt und daraus ein mega süßes Zine gemacht, die Rückstichbindung ausprobiert und ein ganzes, koptisch gebundenes Buch vom ersten bis zum letzten Schritt angefertigt - vom Papierschöpfen mal abgesehen...Nächstes Bauhausmodul vielleicht? XD

Weiter geht's!

2. B l o c k w o c h e

Mehr Buchbindereien und vorsichtige Schritte zum eigenen Projekt

In der zweiten Blockwoche probieren wir noch weitere Buchbindetechniken aus und tasten uns langsam an unsere eigenen Projekte heran. Am Ende des Kurses sollen wir ein fertiges Objekt erstellt haben, das Lithographie und Buchbinderei verbindet. Deshalb haben wir erst einmal viel Zeit, um zu reflektieren, was wir am Ende machen wollen. Da Ich nicht mehr rückverfolgen kann, wann wir was gemacht haben, habe ich unsere Projekte thematisch sortiert.



Fine Binding

Ganz feines Binden

Wir beginnen mit der Fine Binding Bindung, das ist die Bindung, die man von den meisten Hardcover Büchern kennt. Für mich beginnt die Woche allerdings einen Tag später, denn am Montag killt mich mein Heuschnupfen. Die anderen haben bereits für die Buchdecke vorgearbeitet und ganz präzise Pappe zusammengeleimt - Den eigentlichen Buchblock erstellen wir hier aus Zeitgründen nicht selbst. Für mich wurde ganz lieb auch eine Buchdecke mitgemacht. <3

Ich muss diese jetzt nur noch eindecken und dazu bringe ich ganz viel Stoff mit - eigentlich nimmt man dazu Buchbindegewebe aber ich finde es spannend, auch mit anderen Materialien zu experimentieren. Wichtig bei dem Stoff ist nur, dass er nicht so saugfähig ist, damit er den Leim nicht aufsaugt, und nicht stretchy, damit er gleichmäßig auf der Pappe aufliegt. Mein Stoff hat ein Motiv, das möglichst mittig aufliegen soll und es ist eine ganz schöne Zitterpartie, bis ich es dann endlich schaffe, das leimgetränkte Stoffstück auf die Buchdecke zu klatschen - aber es liegt fast perfekt auf und ich bin ganz schön stolz.

Ein paar Tage später klebe ich dann noch die Kapitalbänder an sowie das Vorsatzpapier; Nachdem das getrocknet ist, kann ich auch den Buchblock anleimen. Das ist wieder sehr aufregend, denn beim Fine Binding sieht alles so perfekt aus am Ende, da merkt man jeden Fehler. Mir gefällt die offene koptische Bindung irgendwie besser, da sieht man auf den ersten Blick, dass das Handarbeit ist (zumindest bei mir :') ).

Als mein Buch zwischen Zeitungspapier gepackt unter ein paar Lithosteinen gepresst wird und so trocknen darf, sieht es fast aus wie ein gekauftes Buch. Verrückt irgendwie...würde ich aber versuchen, das Buch wirklich zu verkaufen könnte sich das niemand leisten. Wir reden in dieser Woche auch über den Bauhaus Weihnachtsmarkt und dass man Handarbeit, egal ob Druckgraphik, Buchbinderei, Textilarbeit oder Keramik etc. immer unter Wert verkaufen muss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Je mehr handwerkliche Techniken ich kennenlerne, desto mehr weiß ich die vielen Stunden an Arbeit zu schätzen, die da reinfließen und desto frustrierter macht es mich, dass die wenigsten Menschen Handarbeit zu schätzen wissen.

Japanische Bindung

Endlich mal nicht auf die Laufrichtung achten

Bei der japanischen Bindung werden die Papierlagen einfach am Rand miteinander vernäht. Ich bin sofort Fan, weil das geht einfach, schnell und man muss nicht auf die Laufrichtung achten (Die ich immer noch falsch mache). Aber man kann so viele verschiedene Sachen machen - Perlen mit einsticken, den Abstand der Löcher variieren, die Papiere spannend anordnen sodass sie sich überlappen und untereinander hervorspitzen...Ich weiß sofort, dass ich diese Bindung für mein Projekt nutzen will.

Als Emmi uns diese Bindung zeigt, suchen wir erstmal wieder Ewigkeiten nach passenden Kombis in den Unmengen an Papier, die uns zu Verfügung stehen: Zerreißen alte Zeitschriften, bestätigen uns wieder einmal gegenseitig, dass das eine grüne Glanzpapier unheimlich schön ist und finden bis auf mich, der stur an seiner schwarz-weiß-Äestethik festhält immer wieder zu ähnlichen Farbkombis. Grün, rosa und auch orange sind ganz groß im Rennen. Sehr schön sommerlich! :)

Eigenes Projekt

Fun with Funghi

Konzeptfindung

Leo und Emmi haben in dieser Woche sehr viel Zeit miteingeplant, in der wir frei arbeiten können. Bevor wir anfangen an unseren eigenen Projekten zu arbeiten, ist es mir persönlich immer sehr wichtig einen Plan zu haben, was genau ich machen will und wie ich dabei vorgehe.

Bei dem Zine , das wir in der ersten Woche gemeinsam erstellt haben, haben wir uns einen Song als Vorlage genommen. Sowas finde ich als Inspiration immer total gut und scrolle mich erstmal durch mein Spotify, um nach passenden Liedern zu suchen. Dabei konzentriere ich mich auf die Gefühle, die bei mir während der Blockwochen im Kopf herumgespukt sind: Ein Gefühl von Verbundenheit mit den Leuten, die vor mir an der Presse standen, die innere Ruhe beim Buchbinden und Drucken usw. Ich entscheide mich für den Song, der die beiden Gefühle für mich mit am meisten kommuniziert und der für mich sehr emotional aufgeladen ist: FUNGUS von The Narcissist Cookbook.

FUNGUS - The Narcissist Cookbook

Mir ist klar, dass ich japanisch binden will und nur zwei Steine drucken kann - das in Kombi mit dem Song macht für mich Schritt für Schritt klarer, was am Ende mein Enprodukt werden soll: Ein Zine, dass den Song illustriert. Die nächsten paar Arbeitsstunden verbringe ich damit, meine beiden Steine, die ich vorher geschliffen habe (möglichst groß, damit auch viele Seiten draufpassen) genau auszumessen und aufzuteilen. Ich mache ein Mockup, damit ich die Seitenanordnung auch richtig hinbekomme und nicht durcheinanderkomme. Und dann kann ich mit dem Zeichnen loslegen.

Zeichnen

Ich prokrastiniere lange, bevor ich zum Zeichnen komme, denn hier habe ich mit am meisten Einfluss darauf, ob mein Projekt gut wird oder nicht. Aber wenn ich rechtzeitig fertig werden will, muss ich mich zusammenreißen und nach dem ersten Panel läuft dann auch alles ganz gut. Einziges Problem: Ich muss alles spiegelverkehrt schreiben und ich habe eine Menge Schrift. Ich hoffe wirklich, dass ich keine großen Fehler mache. (Spoiler: Mach ich schon)

Erst nach einer ganzen Weile fällt mir nämlich auf, dass ich im Titel (Fungus) einen kompletten Buchstaben, nämlich das G, vergessen habe. Ich versuche ruhig zu bleiben, aber die Frustration ist natürlich groß - ich kratze also leicht aggressiv den kompletten Titel weg und versuche, ihn darüber neu zu machen. Mal hoffen, dass das klappt. Daumen drücken!

Für den Rest nutze ich ganz klassisch Lithotusche und bringe noch weitere Strukturen ins Bild, indem ich Kreide dazunehme. Irgendwann bin ich voll im Flow und kriege fast gar nichts um mich herum mit. Ich suche im Internet Pilze raus, die ich mit auf den Stein zeichne und mache ausversehen einen Deepdive in verschiedene Pilzarten. So ist Studium auch manchmal: Man fängt eine Sache an und ist dann so vernarrt in ein Thema, das einem auf dem Weg begegnet, dass man sich komplett ablenken lässt.



Am Ende der Woche habe ich einen Stein komplett fertig bezeichnet. Bei dem zweiten will ich viel mit Gummi Arabicum arbeiten und pinsele vorsichtig die Stellen ein, die weiß bleiben sollen. Jetzt kann der Stein bis zur nächsten Woche trocknen, damit ich dann gleich weiterarbeiten kann. Ich bin sehr geschafft, aber auch sehr motiviert mein Projekt zu Ende zu bringen. :)

Exkurs: Mit Steinen drucken?

L i t h o g r a p h i e

Vom Schleifen zum fertigen Druck

Hier folgt eine kurze Erklärung, wie Lithographie überhaupt funktioniert - ich selber habe das auch erst ein paar Mal gemacht und bin deshalb kein Experte. Aber das Experimentieren und die Unberechenbarkeit ist auch das, was mich an analogier Drucktechnik so interessiert.



1. Schleifen

Als Allererstes muss der Stein geschliffen werden. Oft sind noch bereits gedruckte Motive auf dem Stein, die mit ihrem Fett tief in den Kalkstein eingesunken sind. Diese Schicht muss gleichmäßig und komplett abgetragen werden, bevor man den Stein neu bezeichnen kann.

Man nutzt dazu Wasser und Schleifkorn ( Wir haben zu Beginn immer 80er Schleifsand genommen, später dann 120er.) Mit kreisenden Bewegungen bewegt man nun ähnlich große Steine übereinander, bis das vorherige Motiv abgetragen ist. Bevor man zu feinerem Schleifsand wechselt, entgratet man den Stein, d. h. man feilt die scharfen Ränder ab, sodass diese später nicht im Druckbild auftauchen oder das Rakel beschädigen. Sollte das alte Motiv überhaupt nicht verschwinden, kann man versuchen mit Wasser verdünnte Essigessenz zu nutzen, um das Fett zu lösen. Zwischendurch prüfen wir immer wieder mit einem Lineal, ob beide Steine weiterhin gerade sind und sich keine Kuhlen gebildet haben. Danach lassen wir beide Steine komplett trocknen.

80er Schleifkorn auf unserem Stein vom letzten Semester

zwischendrin den Schlamm abwaschen

Erfühlen, ob noch Schleifkorn da ist

Einreiben von Essig und Wasser zum Lösen des Altmotivs

Essigessenz mit Wasser gemischt

Entgraten der Ränder mit Feile und Raspel

Sichergehen, dass keine Kuhlen entstehen

2. Zeichnen

Hier kann man kreativ werden - man kann ganz verschiedene Materialen nutzen, Hauptsache, sie enthalten Fett, das in den Stein einziehen kann. Es gibt spezielle Lithotusche und Kreide, die wir hauptsächlich nutzen. Auch manche weichen Bunt- und Bleistifte funktionieren ganz gut. In der Bauhaus-Uni liegt irgendwo ein Stein, der mit Schweinenasen bedruckt wurde, die darauf eingewirkt haben. Man kann auch mit Aceton ein mit dem Digitaldrucker ausgedrucktes Bild auf den Stein aufbringen. Es gibt ganz viele Möglichkeiten! Mit Gummi Arabicum markiert man vorher einen Rand, auf dem da Rakel dann aufsetzen kann. Man kann dieses Gummi Arabicum auch als Zeichenmaterial verwenden, um bestimmte Bereiche freizuhalten. Alles, was damit geschützt ist, bleibt frei und das Fett kann dort nicht einziehen. Wichtig für das Zeichen ist: Das, was man zeichnet ist auch das, wo später die Farbe ist. Es geht dabei nicht darum, wo das meiste Pigment des Materials ist (das wird später ausgewaschen), sondern wo am meisten Fett ist, nimmt der Stein später die meiste Farbe an. Allerdings wird der Druck spiegelverkehrt sein. Wir haben eine Menge Drucke mit Text erstellt, aber man gewöhnt sich erstaunlich schnell an das spiegelverkehrte Schreiben! Wenn man doch mal Fehler macht, kann man schnell versuchen, diese mit Litholit (Bimsstein) wieder auszukratzen.

Am Ende wird das fertige Bild zum Schutz mit einer dünnen Schicht Talkum-Puder bestäubt und dann noch einmal mit einer dünnen Schicht Gummi Arabicum. Dann darf das Ganze trocknen. Das Fett muss jetzt in den Stein einziehen, am besten über Nacht.

Gummi Arabicum-Rand vor dem Bezeichnen

Talkum Puder

Gummi Arabicum Schicht



3. Ätzen

Jetzt bereitet man den Stein für den eigentlichen Druck vor. Vereinfacht gesagt versucht man die unbezeichneten, weißen Stellen wasseraufnahmefähig und die bezeichneten, dunklen Stellen wasserabweisend zu machen. Das ist das Grundprinzip nach dem die Lithographie funktioniert.

Zuerst nimmt man mit Gummi Arabicum die vorher aufgebrachte Gummi Arabicum Schicht ab. Das Material ist wasserlöslich, dementsprechend löst es sich auch selbst an. Wir nutzen dafür die Finger, denn nur mit den Fingerkuppen kann man erspüren, wo noch Stellen beschichtet sind.

Danach greift man zur Salpetersäure: Mit einem Pinsel trägt man die Säure vorsichtig erst auf den Rand auf, und verteilt sie dann auf den Rest des Steines, vor allem auf die weißen Stellen. Die Wirkung bemerkt man, wenn sich kleine, schäumende Bläschen kurz nach dem Auftragen bilden. Wir benutzen erst 4%, dann 8% Säure, je nach Wirkung. Die Säure ätzt die weißen Stellen des Kalksteines an und macht sie porös - dadurch kann Wasser tiefer in den Stein eindringen, wie ein mikroskopischer Schwamm.

Mit Wasser wäscht man den Stein kurz ab - dabei merkt man bereits, dass das Wasser im besten Fall auf den bezeichnetet Stellen abperlt. Das Fett hat diese Stellen vor der Säure geschützt und macht sie wasserabweisend. Als Nächstes tragen wir eine hauchdünne Gummi Arabicum Schicht auf die weißen Stellen auf, um sie beim nächsten Schritt zu schützen. Mit Gaze tupft man vorsichtig das überschüssige Gummi Arabicum ab. Es ist ganz wichtig, dass der Stein jetzt vollkommen trocknet!

Beim nächsten Schritt tragen wir Handschuhe: Die Zeichenpigmente werden mit Terpentin aus dem Stein gewaschen; und das ist nervenschädigend. Jetzt ist der Stein fertig und kann gedruckt werden!

Gummi Arabicum lösen

Ätzen mit Salpetersäure

Auswaschen mit Terpentin

4. Weitere Vorbereitungen

Bevor man allerdings druckt, sollte man schon alles fertig vorbereitet und griffbereit haben. Während des Druckens muss der Stein konstant feucht gehalten werden, deswegen ist es gut, effizient arbeiten zu können.

Schon während wir den Stein in die Druckerpresse einspannen, markieren wir von wo bis wo wir kurbeln müssen und stellen das Rakel ein. Außerdem suchen wir die Farbe aus und walzen sie schön ordentlich aus. Und dann kann's endlich losgehen!

5. Drucken!

Der eigentliche Druckvorgang ist simpel. Man walzt die Farbe auf den Stein auf (der immer feucht gehalten werden muss). Die weißen Stellen sind mit Wasser benetzt, während die dunklen Stellen wasserabstoßend sind - deswegen hält nur an ihnen die Farbe.

Dann legt man das Papier (möglichst mittig...) auf. Hinzu kommen noch zwei Bögen Papier und eine mit Schmiere befettete dünne Platte. Die sollen den Papierbogen vor Schmutz schützen und den Druck gleichmäßig verteilen.



Jetzt kurbelt man bis zur vorher gesetzten Markierung, drückt mit viel Schmackes den Hebel der Druckerpresse hinunter und kurbelt gleichmäßig und ohne zu stoppen weiter. Dann löst man den Hebel und zieht den Drucktisch wieder nach vorne. Papier abziehen, Druck bewundern, zum Trocknen aufhängen, Stein feuchten (!) und dann kann es wieder von vorne losgehen.

Theoretisch kann man Litho in einer sehr hohen Auflage drucken - früher wurden Plakate oft mit Litho gedruckt - und wenn man den Stein am Ende auswäscht kann man auch immer wieder drucken. Sollte man Fehler in der Zeichnung bemerken, kann man diese manchmal noch während des Druckes mit Bimsstein auskratzen. Nimmt der Stein zu viel Farbe an oder verliert seine Wasseraufnähmefähigkeit, kann man auch nachätzen. Man kann also viel Experimentieren und den perfekten Druck gibt es nicht...!

Sorry,

Am Rest wird noch gefeilt...

Updates kommen noch :)